Ja, auch Telefonate sind Arbeit
Autor: Violetta
„Hallo! Na, alles gut? Wieder vom Urlaub zurück? Und, wie war‘s?“ So oder so ähnlich verlaufen bei uns die alltäglichen Telefongespräche. Ab und zu ist auch ein „Sorry, aber das geht so gar nicht“ rauszuhören. Offen, locker und ehrlich – so sollte die Beziehung zu Kunden oder Redakteuren gestaltet werden. Oftmals werde ich mit großem Staunen überschüttet, wenn ich von meinem Arbeitsalltag erzähle und sage, dass das Telefonieren dazu gehört: „Telefonieren ist doch keine Arbeit.“ Na, dann pass‘ mal auf.
Abgesehen von der Tatsache, dass Kommunikation und PR-Branche zusammengehören wie Topf und Deckel, ist die aktive und persönliche Kontaktpflege überlebensnotwendig. Wie sonst sollte man erfahren wo der Schuh drückt, falls eine Weile nichts mehr zu hören ist? Ein Telefongespräch mit Kunden ähnelt dem mit besorgten Eltern: Ist alles in Ordnung? Gibt es etwas Neues? Kann man weitere Arbeit abnehmen oder ist etwas im Entstehen, weswegen man schon lange nichts mehr gehört hat? Es ist wichtig auf dem neuesten Stand zu sein. Wer noch Kontakt zu seinen alten Schulfreunden hegt, weiß aus Erfahrung, dass auch Kontaktpflege Arbeit ist.
Wenn es nun Neuigkeiten gibt, das Sortiment erweitert oder eine neue App entwickelt wurde, gilt es, dies an die Öffentlichkeit zu kommunizieren, sprich: an die große, weite Medienwelt. Natürlich ginge das Ganze auch über E-Mails, aber oftmals kommen diese entweder nicht an, der kontaktierte Redakteur hat das Unternehmen gewechselt oder die E-Mail geht in der Flut an Nachrichten, die Redakteure täglich bekommen, einfach unter. Da logischerweise nicht der ganze Verteiler angerufen werden kann, müssen diejenigen Medien herausgesucht werden, die auch etwas mit der Neuigkeit anfangen können. Ein IT-Medium interessiert die neueste Nagellackfarbe genauso wenig wie ein Lifestyle-Medium komplizierte Cloud-Lösungen. Also folgt eine intensive Themenrecherche, um die Anzahl der relevanten Medien von 400 auf rund 20 begrenzen zu können.
Generell verlangt das Telefonieren mit Redakteuren einiges an Ausdauer ab. Es kann bis zu Tage dauern, einen Redakteur zu erreichen; manch einer ist „heute nicht im Hause“, der andere „zu Tisch“, im Urlaub oder existiert gar nicht – obwohl sich hierbei ab und zu herausstellt, dass gesuchte Frau Müller seit Neuestem nur noch auf den Namen Frau Bäcker hört. Die Chance, den Redakteur direkt zu erwischen, steht bei 50:50. Wer besonders viel Glück hat, muss sich immer wieder aufs Neue verbinden lassen. Dabei genießt man das Vergnügen, entweder einem bombastischen Orchester oder einem 0-8-15-Lied zu lauschen. Nach dem fünften Anruf ist dann auch die Frau vom Empfang entnervt, dafür kann das 0-8-15-Lied mittlerweile auswendig mitgeträllert werden, was immerhin die Wartezeit am Telefon verkürzt.
Ein weiterer Fall ist „Mission Inkognito“: Hierbei ist nur das angestrebte Ressort bekannt, der hierfür zuständige Ansprechpartner muss allerdings noch gefunden werden. Und damit beginnt der große Spaß. Möglichkeit A ist das Impressum zu studieren, wobei man reichlich Zeit einplanen sollte, da einige Verlage die Namen oder Redaktionsnummern so gut versteckt haben, dass man meinen könnte, es handele sich mehr um ein Suchspiel als um ein Impressum. Faszinierend ist auch die Auflistung von 100 Redakteuren, wovon jeweils 20 für ein Ressort zuständig sind. Demzufolge beginnt das visuelle Ansprechpartner-Casting: Profile werden durchgelesen, um herauszufinden, welches Thema wen interessiert. Ein anderes Extrem ist das Blanko-Impressum mit genau einer Telefonnummer, einer E-Mail-Adresse und dem Namen des Inhabers. Wählt man besagte Telefonnummer, landet man bei der Zentrale und es beginnt das „Ich-verbinde“-Spiel, welches zusammengefasst folgendermaßen abläuft: Anruf bei der Zentrale, Zentrale verbindet mit Redaktionsassistenz, Redaktionsassistenz verbindet mit Redakteur, Redakteur ist „nicht dafür zuständig“, verbindet aber mit „Kollegen“. „Kollege“ verblüfft, da eigentlich „nicht dafür zuständiger Redakteur“. Große Verwirrung beiderseits, jedoch offenes Ohr des „Kollegen“ mit anschließender Ansprechpartneranalyse. „Kollege“ verbindet.
Ziel erreicht. Die Kommunikation kann beginnen.