Autor: Konstanze

XING ist tot, lang lebe LinkedIn. Das hätte ich bis vor einigen Monaten noch unterschrieben. Heute frage ich mich beim Besuch von LinkedIn leider immer häufiger, wann Einheitsbrei der zielgruppengerechten Kommunikation eigentlich den Rang abgelaufen hat.

Denn jetzt ereilen einen auch auf LinkedIn gefühlt alle Coaches der Erde, die über allerhand zu berichten wissen – vornehmlich über sich selbst und den Zustand der eigenen Seele. Alternativ dazu fluten neuerdings auch immer mehr barbusige (oder zumindest leicht bekleidete) Damen meine Startseite. Nicht, weil ich ihre Inhalte abonniere, sondern weil irgendjemandem aus meiner Kontaktliste die weisen Zitate zum Zustand der Gefühls- und Selbstfindungswelt gefallen. Deren Like, das natürlich nur dem Inhalt und keinesfalls dem Foto gilt, spült dann den Beitrag wiederum auf meine Startseite. Algorithmus sei Dank.

Du bist – warte, ich muss erst suchen.
Auch verraten immer weniger Menschen auf Anhieb ihre Position und ihren Arbeitgeber. Sie nutzen stattdessen eine ausgefallene Beschreibung wie „Ich erwecke Deinen schöpferischen Geist für eine bessere Führungsaura“ oder sowas, gerne auch auf Englisch, weil ist ja international hier. Auch „Ich führe ein erfolgreiches kleines Familienunternehmen“ hat überlebt. Noch nie gehört.

Was das soll? Man erzwingt so einen Klick aufs Profil. Denn den braucht man, um überhaupt herauszufinden, was das Gegenüber wirklich macht, außer „einfallsreich“ zu sein. Und der Klick ist einfach richtig viel wert – fürs Ego und manchmal auch monetär, wenn man weiß, wie man weiter mit ihm umgeht.

Wieso waren wir hier?
Bei aller Unterstützung für Online-Netzwerke und den selbstbewussten Auftritt: Bitte, können wir uns mal wieder von diesem Hang der immer gleichen Selbstdarstellung und der Jagd nach Klicks befreien? Lasst uns doch die verschiedenen Kanäle dafür nutzen, wofür sie mal gedacht waren.

Da war doch gerade so eine Diskussion rund um Vielfalt, oder? Die vermisse ich hier. Denn inzwischen wird ein und dieselbe (für meine Begriffe oft nichtssagende) Strategie über alle Social-Media-Kanäle gestülpt. Das, was auf Instagram zum Erfolg geführt hat, muss doch schließlich auch auf LinkedIn wirken, oder? Nee, muss es nicht! In LinkedIn ging es mal um Geschäftliches. Es ging darum, Business-Kontakte zu finden, zu knüpfen und zu halten, sich Infos zu beschaffen, die den Arbeitsalltag irgendwie bereichert haben. Heute scheint sich das auf den kleinsten gemeinsamen Entertainment-Nenner reduziert zu haben. Wen interessiert schon eine fachmännische Einschätzung der Zins-Situation durch einen Bankvorstand, wenn man ihm auch beim Auspacken seines Spinning Bikes zugucken kann? Wer braucht schon Details zum Produkt, wenn er „Carpe Diem“ haben kann?

Kein Applaus für die Durchschnittlichkeit.
Mir stellt sich da die Frage: Wieso war ich nochmal hier und brauche ich das wirklich? Wenn doch überall dasselbe passiert, wenn ich immer nur die eine Facette sehe, reicht es nicht, wenn ich nur einen Kanal nutze? Ruckzuck war‘s das mit meinen Klicks.

Aktuelle Umfragen zeigen übrigens, dass Marketing-Verantwortliche Social Media künftig noch stärker für die Steigerung der Markenloyalität und für Weiterempfehlungen nutzen möchten. Aus strategischer Sicht werfe ich daher in den Raum: Den Applaus gibt’s auf Dauer nicht für Durchschnittlichkeit, sondern für zum Kanal und zum Rezipienten passende Angebote.

Zielgruppe, Baby!