Von: Konstanze

Schon mal von Worklife-Balance gehört? Die Ausgewogenheit zwischen Arbeits- und Privatleben stellen mit diesem (ehemals) schmissigen Begriff diverse Unternehmen ganz besonders heraus, wenn sie um Personal buhlen. Ich wage mal den Vorstoß und frage: Ist Arbeit nicht zu einem riesigen Anteil privat?

Nein, das ist kein „Ich bin Arbeitgeber und ich will meine Mitarbeiter auch um 1 Uhr nachts malträtieren, wie es mir passt“-Artikel. Aber irgendwie ist es doch so: Wir alle konnten uns bestenfalls frei entscheiden, was wir aus unserer Schulbildung machen möchten und welchen Job wir danach antreten. Wir haben uns also ganz privat entschieden, was uns wichtig ist – Karriere, Kohle, Wohlfühlen, alles zusammen? Jetzt ist davon auszugehen, dass nicht alle ein glückliches Händchen bewiesen haben und die Entscheidung heute anders treffen würden. Ist Arbeit nicht spätestens an diesem Punkt auch ziemlich privat? Sie beeinflusst doch ganz eindeutig mein Leben, mein Wohlbefinden, mein Glückslevel (by the way: Quereinsteiger sind heute eigentlich überall zu finden, also wäre „Mut zum Risiko“ ein gangbarer Weg).

Wenn ich den Gedanken weiterspinne, lande ich zwangsläufig bei mir und gleich mehrfach an dem Punkt, an dem ich feststelle, dass Arbeit ohne Privates nur halb so erfreulich wäre:

Kollegen

Ohne eine gewisse Kollegin, die sowieso jeder kennt, wäre alles ganz schön doof (an dieser Stelle kann gerne das bekannte Comic-Schaf eingeblendet werden). Diese Kollegin ist aber einfach auch viel mehr als das, sie wurde innerhalb kürzester Zeit meine Freundin. Und so eine Freundin im Büro steigert die Arbeitsqualität immens, wie ich zu berichten vermag.

Kunden

Angenommen, ich müsste mich bei meinen Kunden verstellen und könnte nicht so sein, wie ich bin, würde sich mein Grad der Zufriedenheit im Minusbereich bewegen. Das bedeutet auch, dass ich mich als Privatperson in meinen Job einbringe – und dass das auch mein Gegenüber tut. Die Intensität variiert natürlich, nicht jeder muss über die neuesten Katastrophen abseits des Schreibtisches informiert sein. Aber so ein offenes, freundliches, unverstelltes Gespräch und vielleicht sogar ein wenig „Trash-Talk“ zwischen Tür und Angel motivieren deutlich mehr zu guter Zusammenarbeit als der allzu förmliche Kontakt. Ich zumindest tue viel lieber etwas für Menschen, die ich mag.

Katastrophen

Keine Sorge, es gibt keine aktuellen Katastrophen, ich wollte nur den Begriff der Freundschaft nicht überstrapazieren. Daher fliege ich die elegante Kurve über die genannten Katastrophen. Denn über sie, so sie denn doch stattfinden, wissen inzwischen etwa eine Handvoll Kunden Bescheid, die zu Vertrauten, wenn nicht gar Freunden wurden. Ohne Privates im Job kaum denkbar.

Kontaktzeiten

Welchen Einfluss die Arbeit abseits der offiziellen Bürozeiten auf mich hat, bestimme ich selbst. Nun kann man die Selbstständigkeit ins Spiel bringen und behaupten, dass man da ja sowieso machen kann, was man möchte und wir ja eigentlich ständig nur die Füße in den imaginären Pool hängen. Das ist zum einen schlicht falsch (anderes Thema), zum anderen auch nicht saalto-Selbstverständnis. Wer abends um 22 Uhr noch ans Telefon geht, trifft eine ganz private Entscheidung. Kann ja sein, dass er tatsächlich Lust hat, noch über die nächste Presseaktion zu diskutieren. Hat er‘s nicht: Geh nicht ans Telefon! Niemand bei uns verlangt eine solche Erreichbarkeit in der privat-privaten Zeit (und ruft um die Uhrzeit übrigens genauso wenig an wie am Wochenende!).

 

Die Liste ließe sich beliebig fortführen und auf alle möglichen Situationen münzen, ich komme auf jeden Fall zu einem Ergebnis: Arbeit ist zu einem ganz großen Teil privat. Wer keine Lust auf seine Aufgaben, seinen Arbeitgeber, seine Kollegen, seine Kunden hat, nimmt den Frust mit ins Privatleben. Wer Stress im Privaten hat, wird das auch im Job nicht ausblenden können. Wer zu viel arbeitet, wird genauso unglücklich wie der, der gar nicht arbeitet.

Wie privat kann es also noch werden?