Autor: Julia

Im Gespräch mit einem Journalisten zuckte ich kürzlich zusammen: „Wir können das Interview mit Ihrem Kunden um 10 Uhr machen. Dann lasse ich die Redaktionskonferenz sausen“. Wer nun stirnrunzelnd das Pflichtbewusstsein der hiesigen Presselandschaft anzweifelt: Es fand sich ein anderer Termin und der Redaktionsfrieden musste nicht gestört werden. Zumindest nicht von mir.

Andererseits: Wer kennt sie nicht – zeitraubende und wenig zielführende Treffen. Je größer das Unternehmen, umso stärker scheint der Wunsch nach Austausch. Forscher der Harvard Business School werteten jüngst die Terminkalender einiger Top-Manager aus: 27 Einträge pro Woche und damit 72 Prozent der Zeit verbrachten diese in Meetings. Wer zwischen all den Vorbesprechungen, Nachbesprechungen, Abstimmungsterminen, Diskussionsrunden, Gruppentreffen, Sitzungen und Jour fixes noch Zeit zum Arbeiten findet, dem sei an dieser Stelle mein Respekt ausgesprochen.

Eine kurze Recherche bestätigt meinen Eindruck einer Meeting-Plage (wir saaltobellas kennen solch einen Zustand selbstverständlich nur vom Hörensagen… ;)): Die Suchmaschinen sind voll mit Tipps zur schnelleren Entscheidungsfindung sowie mit Empfehlungen, wie Besprechungen nicht zur Qual werden und den größten Zeitfressern Einhalt geboten wird.

Ruhe bitte!

Der neueste Trend: eine Runde Schweigen. „Silent start“ nennt sich diese Methode und Amazon-Gründer Jeff Bezos soll die halbstündige Stille verpflichtend für die Chefetage eingeführt haben. Die Ruhephase soll zur bewussten Vorbereitung auf die Besprechung genutzt werden, damit anschließend fokussierter gearbeitet wird. Auch die Europäische Zentralbank soll diesen Ansatz übernommen haben.

Zum Abstimmungs-Irrsinn gesellt sich nun also eine halbstündige Auszeit. Und wer schon vorbereitet ist, darf 30 Minuten später erscheinen? Aber wie könnte die Alternative aussehen? Kürzlich erheiterte mich ein Artikel über ein Unternehmen, das Meetings zur Abschaffung seiner Meetings abhält. Betriebswirtschaftlich klingt das fragwürdig. Warum nicht einfach Besprechungen absagen, wenn es nichts zu besprechen gibt?

Bitte nicht falsch verstehen. Das persönliche Gespräch ist super – vermeidet Missverständnisse, ist bei Rückfragen schneller als jedwede schriftliche Kommunikation und kann das Teamgefühl stärken. Und doch gibt es diese Treffen, die ausschließlich der Selbstbeweihräucherung des Vortragenden dienen, in denen interne Machtkämpfe ausgetragen werden oder das Desinteresse der anderen Teilnehmer so offensichtlich ist, dass man vor Verzweiflung am liebsten in die Tischkante beißen möchte.

Manchmal sollte deshalb gelten: Stell Dir vor, es ist Meeting und keiner geht hin!