Autor: Sandra

Nachdem unsere Kunden und damit auch wir inzwischen wieder auf „Betriebstemperatur“ und zum Glück weit entfernt vom sonst üblichen Sommerloch sind, gehen wir langsam, aber sicher wieder über zum „business as usual“ (die Anglizismen kriechen übrigens auch wieder aus den Löchern).

Grundsätzlich toll, freuen wir uns doch über das emsige Treiben unserer Kunden, ihre trotz Corona-Krise größeren und kleineren Erfolge. Und welchen Reflex lösen diese erfreulichen Nachrichten bei erfahrenen PR-Tanten wie uns aus? Genau! Eine blitzschnelle Einordnung derselben verbunden mit einem umgehenden Ratschlag, welche Redakteure sie mindestens genauso spannend finden wie wir.

Ich schenke mir an dieser Stelle die detaillierte Beschreibung des weiteren Workflows (Ha!) und komme direkt zum Kern der Geschichte: Alles wie immer? Mitnichten! Denn aktuell stelle ich eine Eigenart fest, die mir bereits auf der CeBIT 2006 einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Doch bis heute handelte es sich glücklicherweise um Einzelfälle, die direkt in amüsante Anekdoten der saaltobellas übergingen. Aber irgendwie ist langsam Schluss mit lustig!

Eins vorweg, bevor ich WIRKLICH zum eigentlichen Thema komme: Ja, die Verlage leiden ebenso wie viele andere Branchen unter den massiven Auswirkungen der Corona-Krise. Mehr noch, haben sie doch auch zuvor schon einige Jahre damit verbracht, gegen schwindende Anzeigenkunden und rückläufige Abo- und Verkaufszahlen ihrer Print-Medien anzukämpfen. Keine Frage, das haben auch wir auf der „anderen Seite“ verstanden und versucht, ihnen mit Buchungen digitaler und analoger Angebote die Stange zu halten – sofern sie denn im Sinne unserer Kunden waren.

Nachdem sich nun die Situation aber etwas beruhigte und die ersten Presseinformationen aus unserer Feder wieder den Weg auf die Schreibtische der Redakteure (!) fanden, stellten wir ein leider inzwischen bekanntes Phänomen in ungeahntem Ausmaß fest: Anstatt der üblichen Rückmeldungen der Redakteure (!) – egal mit welchem inhaltlichen (!) Anliegen – wurde nun umgehend das Postfach mit Anzeigenangeboten und der Aufforderung, im Gegenzug der Artikelveröffentlichung doch bitte kostenpflichtige Mediaangebote zu buchen geflutet. Die Absender dieser Erpress… äh Angebote waren ausnahmslos nicht die zuvor angeschriebenen Redakteure.

Keine Sorge: Ich werde davon absehen, nun lang und breit über die Grundsätze neutraler Berichterstattung und die Trennung von Redaktion und Media zu schwadronieren. Und obwohl uns die Notwendigkeit des Gebens und Nehmens auch in der Zusammenarbeit mit Verlagen durchaus bewusst ist, stößt es bitter auf, dermaßen offensichtlich „keine Wahl“ mehr zu haben. Frei nach dem bekannten Mediaberater-Motto „Schätzchen, ich sage der Redaktion ohnehin, wer in der Berichterstattung auftaucht und wer nicht! (Zitat Ende)“, erweckt es den Anschein, dass die Grenzen nicht mehr fließend, sondern quasi nicht mehr existent sind.

Schade um den Leser, der sich nach wie vor auf neutrale Artikel in seiner Kaufentscheidung verlässt. Schade um die Redakteure, die ihrer Expertise nicht mehr unvoreingenommen freien Lauf lassen und ihren eigentlichen Auftrag nicht mehr wahrnehmen können. Schade um DIE Mediaberater, die sich mit viel Fingerspitzengefühl um eine optimale Beziehung aller Parteien bemühen. Und vor allem schade um die Unternehmen, die wirklich spannende Neuigkeiten zu vermelden haben, aber aufgrund eines knappen oder nicht vorhandenen Media-Budgets keine Beachtung in den relevanten Medien finden. Social Media scheint da oftmals ein geeigneter Tummelplatz, um seine Nachrichten wenigstens irgendwie in die Öffentlichkeit zu bringen – ohne Strategie, ohne Zielgruppenfokussierung, ohne den erhobenen Zeigefinger der PR-Tante, ohne die ehrliche Meinung eines versierten Redakteurs. „Stopp!“ werden nun viele Social-Media-Experten rufen, „All das funktioniert doch auch in den sozialen Netzwerken.“ Ja, sogar mit Targeting, KPI und allem, was das Marketing-Denglisch so hergibt. Stimmt, wenn man das nötige Media-Budget zur Verfügung hat.

Unser Plädoyer: Jeder macht seinen Job, denn darin ist er Experte. Das schätzt der Redakteur, das schätzt der Kunde, das schätzt die PR-Tante. Und dann finden wir auch alle wieder zu einem erfreulichen Miteinander. Ganz ohne „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.